Viel können Sie momentan über dynamische Stromtarife im Internet lesen. Vergleichen Sie Stromtarife über diverse Portale sind häufig neue, unbekannte Namen die günstigsten, was einen verunsichern kann. Mit diesem Artikel möchten wir Ihnen einen Überblick verschaffen und die verschieden Anwendungsfälle aufzeigen.
Geschichtsunterricht:
Die Idee von dynamischen Stromtarifen hat ihre Wurzeln in den frühen Bemühungen, den Energieverbrauch zu optimieren. In den 2000er Jahren begannen Forscher und Energieexperten, die Möglichkeiten der Integration von erneuerbaren Energien und intelligenter Technologie in das Stromnetz zu erforschen.
Mit dem Fortschritt von Smart-Grid-Technologien und Smart Metern wurde es möglich, den Energieverbrauch in Echtzeit zu überwachen und zu steuern. Dies ermöglichte eine genauere Abbildung der Schwankungen in der Energieproduktion und -nachfrage.
In den 2010er Jahren begannen Energieversorger, dynamische Stromtarife einzuführen. Diese Tarife basieren auf verschiedenen Faktoren wie dem aktuellen Energieangebot, der Netzbelastung und anderen Marktbedingungen. Kunden haben die Möglichkeit, zu Spitzenzeiten weniger zu zahlen und bei geringer Nachfrage mehr zu sparen.
Früher war alles anders!
Vor 20 Jahren wurde in Deutschland Energie bzw. Strom ganz anders produziert. Einfach dargestellt, wurde je nach Bedarf die Energie produziert. Aber in den letzten 20 Jahren haben sich die Erneuerbaren Energien wie Solar, Wind und Biomasse massiv entwickelt.
In 2023 haben die Erneuerbaren Energien zu 59,7 Prozent der öffentlichen Nettostromerzeugung beigetragen.
Dabei ist jetzt Solar und Wind etwas schwieriger an den Bedarf anzupassen. Beide Energiequellen können gesteuert werden aber natürlich sprechen wir hier über eine Abregelung bei zu hoher Produktion.
Und genau hier kommen die dynamischen Stromtarife ins Spiel, denn wir wollen ja nicht abregeln, sondern weiter produzieren. Viel cleverer als Windräder oder Photovoltaikanlagen zu drosseln ist es, den Verbrauch intelligent zu steuern und dem Energieangebot von Sonne und Wind und damit dem Strompreis folgen zu lassen. Einfach gesprochen sollten wir möglichst automatisch dann Stromverbraucher einschalten, wenn es günstig ist und damit einerseits die Stromnetze und andererseits unseren Geldbeutel entlasten.
Der Verbrauch wird an die Produktion angepasst!
Wie funktionieren dynamische Stromtarife eigentlich? Dazu muss man sich etwas mit der Energiewirtschaft beschäftigen. Doch zunächst muss der „Normalen Tarif“ betrachtet werden.
Hierbei ist es so, dass Sie über die Angabe Ihres Jahresverbrauchs dem Energieversorger eine Schätzung abgeben und dieser dann die Energie für mindestens ein Kalenderjahr im Voraus einkauft. Dabei kauft er selten genau 100% des Bedarfes ein, sondern beispielsweise nur 50% und der Rest wird dann kurzfristig an der Strombörse besorgt. Sie erhalten dann einen Mischpreis bzw. Durchschnittspreis. Dabei ist für den Energieversorgern ein unternehmerisches Risiko enthalten, welches auch eingepreist wird. Sie zahlen somit in vielen Fällen einen höheren Preis als eigentlich nötig wäre, aber im Gegenzug bekommen Sie eine Preisgarantie für die Laufzeit des Stromvertrags.
Bei dynamischen Tarifen funktioniert es etwas anders, denn Sie bekommen immer den tatsächlichen Strompreis in Rechnung gestellt und das „Risiko“ liegt bei Ihnen. Ähnlich wie an der Börse mit Aktien. Dabei setzt sich der Preis meist aus einer monatlichen Grundgebühr und dem Strompreis zusammen.
Die bekanntesten Anbieter in Deutschland sind Tibber, Rabot Charge, Octopus Energy, aWATTar, Ostrom und eprimo. Ab 2025 sind alle Energieversorger verpflichtet, ihren Kunden einen dynamischen Stromtarif anzubieten.
Wie funktioniert ein dynamischer Stromtarif?
Dynamische Stromtarife gehören zu den zeitvariablen Tarifen. Ihr Strompreis ist flexibel und orientiert sich dabei am aktuellen Börsenpreis – er verändert sich mehrmals am Tag und kann stärker steigen und fallen als die zeitvariablen Tarife mit Preisgrenzen oder festen und gemittelten Preisen. Um einen dynamischen Stromtarif abzuschließen, brauchen Sie ein intelligentes Messsystem. Entweder einen Smartmeter mit Gateway oder einen digitalen Stromzähler mit Auslesekopf, damit der Stromanbieter die Verbrauchsdaten stundengenau abrechnen und Ihnen eine Strompreisprognose für den nächsten Tag übermitteln kann. Je besser Sie Ihren Verbrauch nach dem Strompreis ausrichten können, desto höher ist das Sparpotential gegenüber einem nicht-dynamischen Tarif.
Wie kann ich dies nutzen?
Hier gibt es mehrere Ansätze und Gedankenspiele, auf die ich jetzt eingehen möchte:
- Ich nutze Energie dann, wenn Sie günstig ist: Die Kombination aus einer PV-Anlage mit Speicher ermöglicht schon eine eigene Energieproduktion und -speicherung und in den Sommermonaten können sehr hohe Autarkiegrade erreicht werden. Ich kaufe kaum Energie zu und versorge mich nahezu vollständig selbst mit Strom und Wärme. Aber in den Wintermonaten benötige ich Energie. Hier kann ich gezielt steuerbare Verbraucher anschalten, wenn der Strom gerade günstig ist. Ich könnte mein E-Auto dann laden, wenn der Strompreis am niedrigsten ist, zum Beispiel weil gerade viel Wind weht. Auch das Wäsche waschen oder die Spülmaschine kann in diese Zeiten verlagert werden.
- Ich könnte auch meinen Batteriespeicher mit dieser Energie laden: Wenn ich schon einen Batteriespeicher gekauft habe, so wird die Wirtschaftlichkeit immer besser, je mehr ich ihn nutze. Ich könnte meinen Speicher zu Zeiten laden, in denen Strom günstig ist und diese Energie später nutzen, wenn Sie wieder teuer ist. Damit kann eine Solar-Batterie auch in den Wintermonaten arbeiten und Ersparnisse generieren.
Das Energiemanagement spielt dabei eine zentrale Rolle: Ich habe meine eigene Energieerzeugung durch Photovoltaik, meinen Energiespeicher zuhause und auch noch ständig wechselnde Energiepreise. Da muss jemand den Überblick behalten. Ein HEMS also Home Energy Management System steuert dies alles.
Energie sinnvoll nutzen, wenn sie günstig ist!
Wer seinen Stromverbrauch an dem Angebot orientiert, kann mehrere Vorteile nutzen. Erstmal haben Sie meistens einen günstigeren Strompreis, weil der Aufschlag des Stromanbieters für die Preisgarantie entfällt, und zweitens werden Sie auch immer überproportional Solar- oder Windenergie nutzen und schonen dabei die Umwelt. Denn wenn der der Preis niedrig ist, kommt dies meist von Solar- oder Windstromproduktion in Deutschland. Wenn Energie produziert wird, die nicht genutzt werden kann, muss diese Energie abgeregelt oder ins Ausland verkauft / verschenkt werden. Wer sich diese Preisschwankungen zu Nutze macht, kann viel Geld sparen.
Welche Vorteile haben dynamischer Stromtarife noch?
Erstmal bekommen Sie die volle Transparenz, denn Sie zahlen wirklich nur das für deinen Strom, was er gerade kostet. Auch zahlen Sie meisten keinen festen Abschlag, sondern die Abrechnung erfolgt nach Ihrem tatsächlichen Verbrauch. In den Sommermonaten, wenn die PV-Anlage viel Strom produziert, ist die Rechnung auch wirklich 0 Euro. Dies funktioniert über die permanente Übermittlung der Verbrauchswerte und über den Abgleich mit dem aktuellen Marktpreis. Viele Anbieter von dynamischen Stromtarifen bieten dazu eine gute App an, in der diese Informationen eingesehen werden können. Die Zählerablesekarte gehört damit der Vergangenheit an. Alles funktioniert automatisch im Hintergrund.
Sie können sich mit einem dynamischen Stromtarif prinzipiell auch den Anbieterwechsel ersparen. Oftmals war es in der Vergangenheit so, dass es auf einschlägigen Portalen immer wieder Lockangebote gab: Günstigen Strom für die ersten 12 Monate. Danach kam meist das böse Erwachen, wenn man den Wechselzeitpunkt verpasst hat und der günstige Angebotspreis ausgelaufen ist. Man war gezwungen immer wieder zu prüfen, ob es bessere bzw. günstigere Anbieter gibt und ob der Tarif noch aktuell ist. Perspektivisch können Sie sich dies in Zukunft sparen, denn bis auf geringfügige Unterschiede bei der monatlichen Grundgebühr wird bei einem dynamischen Tarif unabhängig vom Anbieter immer der tatsächliche Marktpreis weitergegeben.
Wollen Sie wechseln, so bieten Ihnen diese „neuen Anbieter“ eine monatliche Kündigungsfrist an. Was gibt es also zu verlieren? Natürlich können die Preise zeitweise nach oben gehen, aber die Durchschnittspreise dieser Anbieter haben gezeigt, dass Sie mit einer sinnvollen Nutzung einen spürbaren Preisvorteil haben, der umso größer wird, je besser Sie Ihren Verbrauch am Marktpreis orientieren. Nach Angaben der Anbieter dynamischer Tarife können Einsparungen von 35 Prozent bzw. bis zu 500 Euro im Jahr erreicht werden.
Empfehlungen und Abwägungen zu dynamischen Stromtarifen
- Der Nutzen dynamischer Tarife ist umso größer desto mehr variable Verbraucher vorhanden sind. Dazu zählen vornehmlich Elektroautos und Wärmepumpen.
- Wenn auch eine eigene Stromerzeugung und Speicherung vorhanden ist, kann der finanzielle Vorteil noch höher sein.
- Wichtig ist, dass vor der Anschaffung genau geprüft wird, ob die Geräte, die installiert werden sollen, die technischen Voraussetzungen erfüllen, um sich am Strommarkt an den dynamischen Marktpreisen anzupassen (Preissignalfähigkeit).
- Keine alten Abhängigkeiten durch neue ersetzen. Achte auf kurze Vertragslaufzeiten, herstellerunabhängige technische Lösungen und eine fundierte Beratung durch ein Fachunternehmen